Österreich liest, Salzburger Buchtage, Buch Wien. Im Herbst haben auch hierzulande Bücher mediale Konjunktur. Für mich ein Anlass, über meine persönliche Beziehung zum Buch nachzudenken …
Manchmal, wenn ich das Gefühl habe, mein eher schmaler Kleiderschrank braucht dringend Nachschub, kann es passieren, dass ich ganz unsicher werde, sobald ich ein Kleidergeschäft betrete. Lauter Gewand, das mir fremd erscheint, von dem ich nicht weiß, wie man es trägt, was davon zusammenpasst oder ob es mir überhaupt steht. Die neue Kollektion lässt grüßen und ich fremdle! Eine Verkäuferin zu fragen hilft an solchen Tagen nicht, das vergrößert die Misere bloß, weil mir die eigene Unsicherheit dann auch noch unangenehm ist. An solchen Tagen hilft nur eins: Ab in eine Buchhandlung.
Dort, zwischen all den Büchern, fühle ich mich wohl, dort fühle ich mich sicher, dort werde ich wieder „normal“. In der Ordnung einer Buchhandlung geht es mir gut, da kann ich mich orientieren, da fühle ich mich angenommen. Das ist eigentlich in allen Städten und Ländern, in denen ich der Landessprache zumindest halbwegs mächtig bin, so. Bei uns und in Deutschland sowieso, in Frankreich natürlich, in Amerika und England, aber auch in Italien. Ja, sogar wenn ich in einem Land bin, dessen Sprache ich nicht kann, zieht es mich in Buchhandlungen. Ein paar bekannte Autornamen oder einen Buchtitel werde ich schon entziffern können, zur Not gibt’s ein Regal mit fremdsprachiger Literatur.
Woran liegt es, dass es mir gut geht, sobald ich eine Buchhandlung betrete? Sicher, meist ist es in Buchläden leiser als in anderen Geschäften. So manchen Klamottenladen kann ich ja allein aufgrund des dort herrschenden Musiklärmpegels nicht betreten. Aber allein die relative Stille zwischen den Bücherregalen ist es nicht, eine ruhige Atmosphäre ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Wohlfühlbedingung. Was also ist es?
Es ist wohl ein Gefühl der Vertrautheit mit Büchern, das Empfinden, inmitten all der Bücher gut aufgehoben zu sein, das sich einstellt, wenn ich in eine Buchhandlung gehe, obwohl ich eigentlich gar kein Buch kaufen will. Warum aber ist das so? Vielleicht aufgrund der Versprechungen, die mir all die Bücher machen. „Da gibt es etwas zu entdecken, da ist etwas für dich dabei“, scheinen sie mir zuzuraunen. Ganz bestimmt ist es die Vielfalt, die Vielfältigkeit, die mir da entgegenschlägt. Die Bücher verweisen auf alles Mögliche, auf verschiedene Welten, auf Unterschiedliches. Es ist nicht die eine dominante Lebensform, die in den Büchern steckt, nein, es sind verschiedene Möglichkeiten, fremde Entwürfe, Bekanntes ebenso wie Unbekanntes und noch viel mehr.
Diese Vielfalt lässt mich atmen, diese Vielfalt lässt mich „anders“ sein. Sie zwingt mir keine uniforme Haltung, keinen bestimmten Stil und keinen dominierenden Geschmack auf, sie lässt mich in Ruhe. Gleichzeitig aber stehen mir all die Bücher zur Verfügung, sie stehen mir offen, ich kann heineinblättern, hineinlesen. Ich kann schmökern, schauen, was mich anspricht, finden, was mir gefällt. Altes wiedererkennen, Neues entdecken. Eine Buchhandlung ist wie ein Universum – das Leben in seiner Vielfalt, in Regalen aufgestellt und auf Tischen ausgelegt. Ich kann hindurchspazieren und verweilen, manches be-greifen, nehmen, aber auch wieder zurücklegen. In jedem Fall bleibt etwas davon bei mir – und gar nicht so selten auch ein neues Buch (oder zwei oder drei).
Ich gebe zu, es gibt schon auch Buchhandlungen, die nicht so ganz meiner Idealvorstellung entsprechen. Es gibt aber auch solche, die ich meine. Die gibt es in allen „meinen“ Städten, in Paris und Rom, in Wien und Berlin. Und es gibt sie – Rupertus sei Dank! – klarerweise auch in Salzburg. Es wird sie hoffentlich geben, solange es mich gibt. Ebenso wie Bibliotheken. – Aber über die schreibe ich ein anderes Mal. (nemo)